Spanien-Marokko-Rundreise - Der Fahrer kennt sich aus

Über Reisen schnattern tue ich nunmehr seit sieben Jahren, doch fallen mir manchmal auch wieder Reisen ein, die lange, lange davor stattgefunden haben und auf denen auch Erzählenswertes passiert ist.

Eine meiner ersten Rundreisen, die ich als echte Reiseleiterin begleitet habe und nicht nur als Bus-Stewardess, oder wie mein Mann heute immer sagt "Saftschubse", ging bis nach Marokko.
Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, was für Touren damals in den 80-er Jahren mit dem Bus gemacht wurden.
Ich meine, es waren 13 Tage insgesamt, und die führten über die Costa del Azahar (eher unbekannt, nicht wahr?), Alicante und Gibraltar bis nach Algeciras, von wo aus nach Marokko übergesetzt wurde. Das Ganze dann nach ein paar Tagen wieder genauso zurück.
So gut wie jede Nacht gab es einen Ortswechsel, sonst kommt man einfach nicht weiter. Das ist heute für meine eigenen Rundreisen kaum mehr denkbar. Es wird doch vielmehr Wert auf gemächliches, ausgeruhtes und entspannendes "rund reisen" gelegt.

Ich jobbte damals für TRD Reisen in Dortmund.
Dieses ist das einzige Foto, daß ich von dieser Reise noch habe. Entstanden bei einem Zwangsstopp in der Sierra Nevada, doch dazu später mehr.

Als man mich fragte, ob ich für 13 Tage nach Spanien und Marokko fahren könnte, wurde mir ganz Angst und Bange. Bis zur Costa Brava nach Lloret de Mar hatte ich es mehrfach schon als Urlauberin geschafft, doch alles was danach Richtung Süden kam, war für mich eine neue, fremde Welt.
Ich mag an dieser Stelle daran erinnern, daß ich zu dem Zeitpunkt gerade einmal 21 Jahre auf dem Buckel hatte!
Mit den beruhigenden Worten "Kein Problem, der Fahrer kennt sich aus" bekam ich dann den Reiseablauf und nahm den abenteuerlichen Auftrag an.
Marokko! Was für eine tolle Aussicht auf eine komplett andere Welt!

Am Abreisetag am Dortmunder Hauptbahnhof verkündete mir der Busfahrer dann, daß man ihm den Fahrauftrag mit den Worten "Die Reiseleiterin kennt sich aus" übermittelt hat.
Wir waren beide also mehr als beruhigt und zuversichtlich!
Auf in den Kampf also. "Wir schaffen das!" Ein Satz, den ich schon weit vor Angela Merkel bedeutungsvoll geäußert habe.

Unser Gefährt war damals ein Reisebus der Firma Neoplan, Modell Spaceliner. Was daran "spacig" war, kann ich nicht mehr sagen. Das Wort "space" kann sowohl "Weltraum" als auch "Raum" oder "Platz" bedeuten. Hatte man darin mehr Platz als üblich? Fühlte man sich transportiert wie durch den Weltraum? Ich weiß es nicht mehr.
Was ich allerdings noch weiß ist, daß alle Fahrer die Firma Neoplan mit dem Spitznamen "Nervenplan" belegt hatten, da man anscheinend Nerven wie Drahtseile haben mußte, um ohne Pannen eine Reise absolvieren zu können.

Schon die ersten beiden Tage bis an die spanische Küste waren spannend. Wird die Kaffeemaschine 13 Tage reibungslos ihre Dienste tun? Wird kein Sitz kaputt gehen, sich nicht mehr nach hinten verstellen lassen oder sonst was? Wird die Klimaanlage standhalten?
Schon vorher wetteten die Kollegen, daß wir dort nicht ankämen, ohne zwischendurch irgend etwas reparieren zu müssen. 
Mein Busfahrer hatte allerdings den Ehrgeiz, das Gefährt ohne Reparaturstopps nach Spanien, Marokko und wieder nach Hause zu bringen.
Was am Ende auch gelungen war. Ob der Bus tatsächlich so eine Art Montagsauto mit Macken war, kann ich heute gar nicht mehr beurteilen. Man hört ja auch einfach auf das Geplapper der Kollegen. Vielleicht waren sie auch nur neidisch auf die Tour.

Eine renommierte Firma wie TRD Reisen spielt schon nicht mit dem Wohl ihrer Kunden, aber für mich war halt das ganze Gerede sehr nervenzerfetzend.

Bereits am zweiten Tag, kurz vor der spanischen Grenze, stellten wir übrigens fest, daß unser Vorrat an Bockwürstchen an Bord überhaupt nicht ausreichen würde. Kein Problem, uns kommen ja die Busse vom wöchentlichen Spanienpendel entgegen. Die werden wir heftig anblinken und ihnen ihren Vorrat abkaufen. Gesagt, getan. Die Busse wurden gesichtet, angehupt und angeblinkt. Die Fahrer gingen dermaßen in die Eisen, weil sie dachten "Ha! Da isser" Kaputt. Haben wir uns doch gedacht!"
Als wir dann lässig mit dem lapidaren Wunsch herüber kamen, nur mal eben ein paar Bockwürstchen bunkern zu wollen, war das Erstaunen wirklich groß.

Neidisch kann man nun wahrhaftig nicht auf eine Tour durch ein Land sein, von dem man gerade einmal einen Streifen von 200 Kilometern kennt.

Wir beide gaben uns redlich Mühe. Ich hatte mich weltmeisterlich vorbereitet und spanische Geschichte, Highlights, Land und Leute im Gehirn gespeichert.
Die Gäste waren zufrieden.

Die Reise ging zunächst bis zur Costa del Azahar. Die liegt grob geschildert zwischen Ebrodelta und Valencia. Urlaubsorte dort sind Benicàssim oder Penìscola. Letzterer ein witziger Name, den man korrekt auf der zweiten Silbe betonen sollte, damit er nicht zu merkwürdig anmutet.

Weiter ging es Richtung Andalusien, über Alicante und Guadix, durch die Sierra Nevada nach Granada.
Es war, wie sagte man damals, "affenheiß", der Kilometer zu viele, und mein Busfahrer erlegte sich und uns nach einer Wahnsinnsstrecke eine Zwangspause in der Sierra Nevada auf.
Egal, ob es an der Stelle nun irgend etwas zu sehen gab oder nicht, ein Halt musste sein. Die Masse an Kilometern machte allen echt zu schaffen.
Welch ein Glücksfall, daß wir direkt in einem Gebiet waren, das aufgrund seiner Höhlenwohnungen bekannt ist. Damals waren die Bewohner tatsächlich so aufgeschlossen, daß sie den Touristen gern ihre Unterkünfte zeigten. Das war sehr spannend, und ich frage mich, ob das heute immer noch so ist, oder ob man am Ende nur gegen Eintrittsgeld in eine Art Museumshöhle eintreten darf.

In Granada angekommen, war alles wieder schön, wir hatten Energie getankt, legten den spanischen Song "Granada" auf als in der Ferne die fantastische Alhambra zu sehen war.
Das ist Spanien! Eine traumhafte Aussicht auf eine weltberühmte Stadt! Die Musik tat ihr übriges zur stimmungsvollen Einreise. Gäste happy - wir happy!
Übernachtet haben wir direkt oben an der Alhambra. Wer davon tatsächlich noch nichts gehört hat, es ist ein maurischer Palast, fantastisch gelegen und mit wundervollen Räumen, Gärten und Springbrunnen ausgestattet. Man fühlt sich dort wie in 1001 Nacht.
Jeder Andalusienurlauber sollte einmal dorthin fahren.

Hier hätten wir bleiben wollen, doch hatte die Reise ja noch den Zusatz "Marokko" im Titel.
Über Malaga, einen Schlenker zum mondänen Yachthafen von Marbella und einem kurzen Stop in Großbritannien, ging es weiter zur Hafenstadt Algeciras.
Großbritannien? Na klar, Gibraltar liegt doch an der Südspitze der iberischen Halbinsel. Britisches Überseegebiet. Nachdem wir dort kurz den Affen auf dem Felsen die Pfote geschüttelt hatten, erreichten wir unser Schiff, das uns nach Afrika bringen sollte.
Das klang für mich auch wieder so exotisch. Ich war noch nie in Afrika, und in der Tat, Marokko ist nun einmal auf dem afrikanischen Kontinent. So nah an Europa, aber dennoch: Ich fuhr nach Afrika!

Über die Straße von Gibraltar erreichten wir Tanger, die Hafenstadt im Norden Marokkos. 
Es gibt eine hübsche Legende zu dieser Stadt: Der griechische Gott des Meeres, Poseidon, hatte einen Sohn namens Antaios. Dieser hat Tanger gegründet. 
Du meine Güte, die alten Griechen waren aber auch überall zum Städte gründen unterwegs! 
Antaois hat das wahrscheinlich mit Links gemacht, denn er soll übermäßige Kräfte besessen haben. Ein Riese, der nach heutigem Maß locker über 28 m groß gewesen sein soll. Damit hätte er Hochhäuser bauen können, beließ es jedoch erstmal bei einer Kleinstadt. Um seine Kräfte zu erhalten, verspeiste er gern mal einen Löwen.

Noch interessanter wird es dann mit dem Erscheinen von Herkules, der an dieser Stelle die Erde spaltete und damit quasi der Gründer der Meerenge von Gibraltar war. Jetzt vermischen sich an dieser Stelle der Atlantik und das Mittelmeer. Somit können sich die heutigen Kreuzfahrtreedereien nachträglich fein beim griechischen Helden bedanken, daß sie ihre Routen vom Atlantik direkt ins Mittelmeer führen können. Ich hoffe, es ist ihnen bewusst.

In Tanger und auch bei einem Ausflug nach Tétouan, wandelte ich wie durch eine andere Welt. Begleitet von einem marokkanischen Reiseführer - Gott sei Dank - wurden wir davor bewahrt, uns in der Enge der Altstadt und der Kasbah zu verirren. 
Marokkanische Reiseführer sind anders. Zumindest unser war es. Wir erfuhren nicht viel von Marokko oder den Städten, die wir besuchten, wurden aber umso besser über Bazare und Teppichmanufakturen aufgeklärt.
Wir nannten ihn "Hubschi", weil er uns alles mögliche als "hubschig", sollte heißen "hübsch" anpries, und alles sollte nur 10 Mark kosten.
Wir erstanden brav etliche Lederkamele, die wir auf unserer Rückreise jeder an seiner Busfensterscheibe so drapierten, daß es von außen aussah als wären wir ein Kamel-Express.

Unsere Gedanken kreisten um die Idee, vor Ankunft in Dortmund die Presse zu informieren, was für eine komische Busgruppe dort ankommen würde. Es sah schon sehr witzig aus.
Im Zuge von erneuten Massen an Rückreisekilometern ging jedoch dieser Gedanke verloren.

Es war eine mordsmäßig anstrengende, aber tolle Tour. Ein Team aus Busfahrer, "der sich (nicht) auskannte "und Reiseleiterin, "die sich (nicht) auskannte", hatte über 13 Tage fest zusammen gehalten, um sowohl Bus als auch Gäste sicher und voll mit Impressionen wieder nach Hause zu bringen.
Soviel notwendiger Zusammenhalt führte dann übrigens zu meiner ersten Ehe. Ein Fahrer-/Reiseleiterteam war geboren und hat das dann gleich mal standesamtlich festlegen lassen.

Lang, lang ist´s her....



©️ Gabi Quiatek











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