Karrierestart im Bett der königlichen Mätresse: Die Churchills

Ich würde mich freuen, wenn es noch Menschen gibt, die mit dem Namen "Churchill" auch nur den Politiker verbinden.
So ging es mir nämlich recht lang, bis ich mich eingehender mit dieser "Sippe" beschäftigt habe, weil die Besichtigung von "Blenheim Palace" anstand.
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Kurze Info: Der Palast liegt in der Nähe von Oxford bei dem kleinen Dörfchen "Woodstock". Auch hier dachte ich immer, das hätte was mit dem legendären Musikfestival zu tun, bis mich ein älterer Mitreisender aufklärte, daß dieses allerdings ein Woodstock in Amerika ist.
Nun ja, ich bin halt ein Anfang-60-er-Jahrgang und war 1969 gerade mal eingeschult, daher war die Hippie-LSD-Peace-Festival-Zeit nicht meine, und Woodstock für mich kein Begriff (es sei denn, Status Quo hätten dort bereits gerockt :-).
Wir unternehmen also eine Führung durch die Geschichte des Palastes mit dem Geist der Magd der ersten Herzogin. Und die erzählt einfach Unglaubliches, Skandalöses!
                        
Zu der Zeit, als der vorletzte der Stuart-Könige, James II, seine letzten Jahre auf dem britischen Thron genießen konnte, schaffte es ein junger Mann namens John Churchill ins Bett der königlichen Mätresse Barbara. Und was soll ich sagen? Er wurde von seiner Majestät erwischt! 
Der Geist der Magd schweigt über das, was sich dann an Disputen und möglicherweise Handgreiflichkeiten im Schlafzimmer abgespielt hat, kommt aber zu dem Schluß, daß der König seinem Untertan verziehen hat. Du meine Güte, was hatte vor allem die gute Barbara für ein Glück?! 
Zu Zeiten Heinrichs VIII, wäre ihr Kopf schon so gut wie ab gewesen.

John Churchill bekommt die Chance, seinen ohnehin schon bereits guten militärischen Ruf noch weiter auszubauen und kämpft für seinen König. 
Wie vielleicht allgemein bekannt ist, waren die katholischen Stuart-Könige ob Ihrer Religion eigentlich nicht mehr auf dem britischen Thron erwünscht, denn man wollte nur noch Protestanten, hatte aber gerade keine mehr zur Verfügung, da unpassenderweise nur zwei Töchter überlebt hatten. Wie auch später noch einige Male, ging man also im Ausland suchen und fand Wilhelm von Oranien als Ehemann für die Königstochter Mary. 
Was schert mich die Verwandtschaft, dachte der, und zog gegen Schwiegerpapa James in den Krieg. Als dieser letztlich chancenlos sein Staatssiegel in die Themse wirft und nach Frankreich flüchtet, werden Wilhelm und Mary gleichberechtigte Monarchen. Staatssiegel wegwerfen wird ohne große Diskussion als Abdankung angesehen. 
Und was macht Churchill? Hängt sein Fähnchen anders herum und kämpft auf Seiten des protestantischen Wilhelms. Der dankt ihm das mit dem Titel "Earl of Marlborough". Man beachte: Bis zum Duke/Herzog ist es noch ein weiterer Schritt auf der Wichtigkeitsskala, aber kein Problem für John, dessen steile Karriere jetzt so richtig in Fahrt kommt.
Drei Könige hat er durch, als er letztlich unter Queen Anne für seine militärischen Erfolge Land geschenkt bekommt und sie ihm später "Blenheim House" baut.
Aus dem "House" wird später ein "Palace", denn es wird heftig und teuer erweitert.
       
Ein wahrer Held wird Churchill am Ende durch die Schlacht von Blenheim, ein Ort in Bayern, mit dem Originalnamen "Blindheim".
Wer hätte das gedacht, daß ein englischer Palast mal den Namen eines bayrischen Dorfes tragen würde, zumindest in Abwandlung?
Und warum eigentlich eine Schlacht in Bayern? Die Begründung ist in der langjährigen Feindschaft zwischen Engländern und Frankreich zu finden, war doch Bayern mit den Franzosen verbündet, und es drohte eine Machtverschiebung zu Gunsten Frankreichs gegen die Engländer.
Genau das hat Churchill letztlich verhindert, und noch sein späterer Nachkomme, Sir Winston Churchill, urteilte einst, daß die Welt anders aussehen würde, hätte John nicht für England die Schlacht in Blenheim gewonnen.
Wie wahr, wie wahr! Wäre am Ende noch Ludwig XIV auf den englischen Thron gekommen und hätte das Land wieder einmal zum französisch sprechen verdonnert? Das hatten wir doch schon einmal im 11. Jahrhundert. Und nachdem man endlich die Schotten untergebuttert und die Stuartkönige mit Queen Anne in ihre letzte Runde geschickt hatte, die Franzosen auf der Insel? Never ever!

Verheiratet war John übrigens auch zwischenzeitlich. Seine Frau Sarah stand sich sehr gut mit Königin Anne, zumindest für einige Jahre. Durch wirre Ereignisse fielen sie und John jedoch irgendwann in Ungnade, und die Königin stoppte alle weiteren Zahlungen für die Erweiterung von Blenheim Palace.
Ja, richtig gehört. John hat hier nicht selbst in seine Brieftasche gegriffen, sondern sich seine Heldentaten wirklich gut versilbern lassen.
Sein Fall war dann dementsprechend dramatisch. Familie Churchill floh ins Exil und kam erst nach dem Tod von Königin Anne zurück. 
Welch ein Glück, der verantwortliche Architekt war noch da, die Bauarbeiter auch, aber Mrs. Churchill war zu pingelig und vergraulte das seinerzeit hochgelobte Baugenie Vanbrugh.
Noch dazu wollte der mittlerweile den Herzogstitel tragende John auch nicht noch weiter auf die Zahlungen aus dem Königshaus verzichten, stellte die Gehaltszahlungen ein und erreichte dadurch, daß auch die letzten Bauarbeiter sein Anwesen im Stich ließen.
Man muß dann schonmal selbst in die Tasche greifen. Auch damals schon waren wohl Preisvergleiche in Mode, und Churchill fand, ganz ohne Internet, einen Ersatz, der für weniger Geld arbeitete.
Den Wert von Blenheim Palace nach heutigem Geld schätzt man auf etwa 25 Millionen Pfund.
Nicht ganz so billig zu haben war für einen der späteren Herzöge von Marlborough sicherlich der Gartenpapst des 18. Jahrhunderts: Lancelot "Capability" Brown. Er erschuf die Pläne für das gesamte Parkgelände, das heute aussieht wie zufällig dahingewachsen. Allerdings ist die Position eines jeden Baumes und jedes noch so zufällig dahingeworfenen Strauches durchgeplant.
      
Das ist heute das Prinzip eines englischen Landschaftsgartens.

Und wer sind die Churchills heute? Der 12. Herzog heißt Charles und trägt für meine Begriffe ein wenig die runden Züge des so bekannten Politikers Winston Churchill. Eine Frau, drei Kinder und zwei Hunde gehören zu ihm, und sein Anwesen ist mittlerweile Weltkulturerbe der UNESCO.
Einen winzigen Teil zum Erhalt seines Riesenanwesens haben wir auch geleistet, indem wir unsere 24 Pfund für eine Übernachtung auf dem herzöglichen Campingplatz bezahlt und dann noch den Eintritt in den Palast bezahlt haben, allerdings stark ermäßigt für die Campingplatzbewohner. Danke dafür, "Your Grace".

Zum Schluß sei noch erwähnt, daß die Spencer-Churchills sehr gut aufpassen müssen, daß sie ihr Anwesen nicht an Elizabeth II verlieren.
Wieso übrigens dieser Doppelname? Nun, die Spencers hatten recht früh schon in diesen Clan eingeheiratet. Was soll ich sagen? Es fehlte mal wieder ein männlicher Erbe. Es ist doch immer dasselbe Spiel mit den Frauen! Kriegen es einfach nicht immer gebacken, daß das Erstgeborene ein Junge ist. Da hat schon der 1. Herzog keinen überlebenden Sohn und muß die Würde an seine Tochter Henrietta übergeben, und deren männliche Nachkommen sterben auch alle vor ihr weg.
Da ihre Schwester wesentlich produktiver in Sachen Jungs-Geburten war, fiel der Herzogstitel an Henriettas Neffen Charles Spencer.
Beim Namen "Spencer" müsste eigentlich auch wieder bei jedem, der sich ein wenig in den Adelshäusern auskennt, die Glocken klingeln: In der Tat, Lady Diana Spencer stammt in einer Nebenlinie aus dem Churchill-Clan.
Doch ich möchte schließlich noch das Geheimnis lüften, warum der 12. Herzog sein Gedächtnis immer auf der Höhe haben muß:
Es gibt eine Tradition, daß die Besitzrechte an Blenheim Palace an eine sehr eigentümliche Bedingung geknüpft sind. Jedes Jahr muss der amtierende Herzog eine nachgebildete Fahne der besiegten französischen Truppen an den Monarchen schicken. Vergisst er es, verliert er sein Heim.
Nun denn, Herzog Charles, ein 1955-er Jahrgang, sollte noch fit genug sein, daran zu denken.
Die vielen feinen Details, an denen er möglicherweise tagtäglich vorbei läuft, werden es ihn niemals vergessen lassen, daß sein Vorfahre gegen die Franzosen siegreich war.
                                 
Schon im großen Ehrenhof genügt ein Blick auf die riesige Skulptur eines englischen Löwen, der in seinen Klauen das Nationalsymbol der Franzosen, den gallischen Hahn, einquetscht.
Und direkt gegenüber steht Minerva, die Göttin der Weisheit, und dominiert zwei angekettete französische Gefangene. Warum diese nackt sind, das entzieht sich meiner Kenntnis. Aber in früheren Jahrhunderten war dies wohl das Leid sämtlicher, noch dazu draußen stehender, Büsten und Statuen.

* Da das Wetter für schöne Fotos leider nicht so grandios war, nehme ich wieder einmal das erworbene Buch zum "Estate" zu Hilfe und fotografiere ab. 




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