One second, please... und andere britische Floskeln

Schon sehr lange beschäftige ich mich gern mit den sprachlichen Eigen- und Besonderheiten anderer Länder. Nein, nennen wir es ruhig beim Namen: Die britische Insel ist es, die es mir da besonders angetan hat. Wer mich kennt, wird denken: „War sowas von klar.“ 
In meinem letzten Urlaub, der sich gerade auf der Fähre durch die Nordsee schippernd dem Ende zuneigt, sind mir wieder viele interessante und auch lustige Dinge aufgefallen. Mag sein, dass nur ich sie lustig finde, aber wer jetzt hier zu lesen angefangen hat, muss da durch. Oder klappt jetzt das Handy zu. 
Entspannung im Urlaub bringt bei mir anscheinend mit, dass ich äußerst scharf beobachte und zuhöre. Nun ja, man hat ja dann Zeit, und mein bester Ehemann und ich verbringen auch (leider?) viel Zeit in Lokalitäten beim Essen, und da hört man dann ganz nah so einiges. 

In Schottland, so scheint es, dauert jede Handlung nur eine Sekunde. „One second, please“ äußert der Kellner, um daraufhin allerdings für gefühlte 15 Minuten zu verschwinden. 21, 22, 23. Vorbei sind drei Sekunden.
Auch die angeforderte Rechnung kommt in einer Sekunde - natürlich nicht. Wie sollte es auch wirklich gehen? Natürlich ist mir bewusst, dass es nur eine Floskel ist, aber je mehr ich linguistisch darüber nachdenke, desto mehr lege ich sie einfach mal auf die Goldwaage, und desto lustiger wird sie für mich. 
Wer bereits auf der Insel war und genau beobachtet hat, der weiß auch, dass gerade die Briten eher nichts in einer Sekunde schaffen, denn die extreme Servicebereitschaft, dem Gast Gutes zu tun und vorab in einem Gespräch ewig um die Sache herumzueiern, steht ihnen einfach im Weg und lässt eine Sekunde furchtbar lang werden. 
Aber „no worries“ sage ich da. Eine ebenso häufig angewandte Floskel. Keine Sorge, alles klar, macht nichts. All das kann es bedeuten. 
„Oh, ich habe den Rotwein über Ihren Tisch gekippt.“
„No worries“. Das passt als Reaktion. 
„Leider war das Fleisch doch viel zu trocken“.-„No worries!“. Doch, da habe ich sehr wohl „worries“, und als deutscher Gast trete ich damit auch sogleich in das mir selbst geschaffene Fettnäpfchen. Denn der Brite beschwert sich eher weniger bis gar nicht. Und wenn, dann eiert er erst einmal ordentlich um den Pudding herum, bis er endlich zum Punkt kommt. 
„Cheers“ möchte ich ihm dann zuprosten, ein Wort, das eben nicht nur „Prost“ bedeutet, sondern in allen möglichen Situationen hundertfach am Tag zu hören ist. Wenn ich mich nach einer Bestellung bedanke, dass mir das Gewünschte gebracht wurde (cheers, my dear), oder wenn ich aus dem Geschäft rausgehe (cheers, bye, my love). 
Wer das Wort nur als „Prost“ kennt, könnte glauben, der Brite tränke von morgens bis abends und animiert dauernd Kumpels mit „cheers „ zum Mitmachen. 
Aber „no worries“, das haben wir ja jetzt in „one second“ ein für allemal aufgeklärt. 

Oder soll ich es nochmal „double-checken“? 
Das habe ich wieder massenhaft gehört. Es wird hier nicht einfach etwas nachgesehen oder überprüft, nein, es wird immer gleich doppelt gecheckt. Als würde einmal nicht reichen. Der Deutsche ist da schneller mit durch. Prüfen und fertig - quasi in „one second“. 
Allenfalls könnte doppelt gemoppelt eventuell doch noch mal was bringen.....

Es ist doch einfach alles fantastisch auf dieser Insel. „Fantastic“ findet unsere Kellnerin beim Frühstück, dass wir uns Spiegeleier ausgesucht haben. 
Fantastisch auch, dass wir uns noch für einen Orangensaft entschieden haben. Als sie die gesamte Bestellung notiert hat, findet sie das auch wieder fantastisch, dass wir das jetzt zusammen zustande gebracht haben. Das Frühstück kommt dann, no worries, natürlich in einer Sekunde. 

Unter uns: Anstatt fantastisch findet der Insulaner das oben Beschriebene auch oft „brilliant“. 
Brilliant sind in meinem deutschen Gehirn eigentlich nur Farben, aber kein Spiegelei.
Ach, es war einfach schön, mal wieder in Ruhe Menschen und ihre Sprache zu beobachten bzw. zu belauschen. Das macht mich glücklich. 
Wobei das eigentlich eine ziemlich armselige Beschreibung meines Zustandes ist, denn der Brite ist über die meisten schönen Dinge immer „more than happy“, also noch mehr als glücklich. Ergo: Glücklicher als ich. Nein, das kann nicht sein. 

In diesem Sinne: CHEERS!





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