Ein Ferienhaus mitten in der Stadt, im Bann der Kathedrale

Ich liebe Ferienhausurlaub! Ich liebe Ferienhausurlaub in England!
Und bitte nicht immer an demselben Ort, denn ich will jede Ecke dieser Insel ausprobieren. 

Wohin also im Sommer 2020? Es ist Corona, wie man derzeit so salopp sagt, und da fährt man doch nicht in den Urlaub. Ich schon, denn ich kann Abstand, Hygiene und Vorsicht.
Ich vermeide ohnehin vollgestopfte Strände und extrem volle Städte wenn ich mich richtig erholen möchte.
Wohin also dieses Mal? Die Wünsche an mein Ferienhaus werden immer ausgefeilter, denn man ist ja mittlerweile verwöhnt.
Nicht zu weit vom Meer entfernt, ruhige Lage, am besten ein freistehendes Haus. Und bitte ein Garten mit hübschen Gartenmöbeln - für das Frühstück an der frischen Luft.
Seit dem 10.7. dürfen deutsche Gäste wieder ohne Quarantäne nach England. Wunderbar! Ich bin dabei und will auch direkt an diesem Tag starten.

Meine Ferienhausquellen sind unerschöpflich, aber Achtung! Was ist das denn? Alles, was ich mir Schönes aussuche, ist ausgebucht?
Ich darf an dieser Stelle eigentlich gar nicht erwähnen, dass ich in der Touristik arbeite, denn ich weiß ja, dass Ferienhäuser sehr früh gebucht werden und gerade jetzt, wo alle aufgefordert werden, im eigenen Land zu bleiben und möglichst Abstand zu halten, da sind solche Häuser einfach ideal.
Der Brite wird aufgefordert, in Großbritannien zu bleiben, weil..... Ausland zu gefährlich.
Der Deutsche wird aufgefordert, in Deutschland zu bleiben, weil.... Ausland zu gefährlich.
Aber besser zerpflücke ich diese Sätze nicht weiter, denn das kann nur schief gehen.
Fazit jedenfalls ist, dass hüben wie drüben fast alles voll ist.

Wie ist denn nun mein Traum-Ferienhaus ausgefallen? An welcher Küste liegt es denn nun? Abgeschieden-ruhig wie gewünscht? Nicht wirklich. 

Ich bin in Wells/Somerset gelandet. Das ist die Region, wo die vielen Äpfel für den leckeren Cider herkommen. Countryside, möchte ich wohl sagen. Inland.

Der geplante Strand ist leider relativ weit weg, abgeschieden liegt es auch nicht, freistehend erst recht nicht und mitten in der Stadt. Aber hübsche Gartenmöbel hat es - wenigstens etwas.
Doch was für einen tollen Griff habe ich da gemacht?! Nachdem wir unsere ganzen Sachen ins Haus geschleppt haben, schauen mein Mann und ich uns um und rennen sofort mit unseren Handykameras wie die aufgescheuchten Hühner durch alle Räume und können uns nicht entscheiden, welcher schöner ist.
Es gibt ein kleines Lese-/Arbeitszimmer (wir wollen ja nicht arbeiten!) mit einem kuscheligen Sitzplatz im Fenster, wie ich mir das für zu Hause immer gewünscht habe, doch zu Hause ist die Fensterbank eben nur 5 Zentimeter tief. Da sitzt es sich leider eher gar nicht.
Hier werde ich jeden Nachmittag sitzen.
Die Küche hat eine tolle Frühstücksecke. So richtig heimelig, mit toller Eckbank. 
Hier werde ich jeden Morgen sitzen.
Das Wohnzimmer - sowas von britisch. Gemütlich, kuschelig, mit Sofas, aus denen man nicht mehr hoch kommt. 
Hier werde ich jeden Abend sitzen. Nun ja, ich komme ja eben auch nicht mehr hoch.
Das Schlafzimmer! Ein Traum mit Aussicht auf die Kathedrale. Hier werde ich jede Nacht im Bett sitzen und nicht schlafen, weil ich ja immer auf die wunderbar angestrahlte Kathedrale gucken muss. 
Gefühlt habe ich allerdings bis auf die Nächte die gesamte Zeit im Vorgarten verbracht, auf diesen herrlichen Gartenstühlen, und habe mich an der Kathedrale und dem "cathedral close" inklusive Rasenfläche, die mit der Nagelschere geschnitten scheint, nicht satt sehen können. 
Mitten in der Stadt und trotzdem Ruhe pur. Eine kleine Stadt innerhalb der Stadt, und man erkennt sehr gut, wie früher der Kathedralbezirk mit den Häusern für die Geistlichkeit abgetrennt war durch Tore und Mauern von der übrigen Bevölkerung. 
Ich fühle mich, als wäre ich hier in einer anderen Welt und möchte nie wieder weg.

Selbst die Glocken der Kathedrale halten sich an Lautstärke vornehm zurück. Das bin ich von zu Hause von einer im Vergleich schnöde-kleinen Vorort-Kirche ganz anders gewöhnt. Da nimmt das Gebimmel 20 Minuten lang kein Ende.

Mit Ach und Krach schaffe ich es, mich zur Mittagszeit vom Gartenstuhl zu reißen, um einen Ausflug in die schöne Umgebung zu machen. 
Dabei bin ich der größte Ausflugs-Fan unter der Sonne und muss jeden Tag unbedingt etwas anderes sehen.
Einen Ausflug in die Kathedrale, den schaffe ich. Und einen in die Stadt der "übrigen Bevölkerung" auch. Sogar an einem einzigen Tag.
Zugeben muss ich, das Innere der Kathedrale hat mich nicht so sehr vom Hocker gerissen, aber ich habe auch viele hochkarätige Vergleiche, denen diese hier einfach in meinen Augen nicht standhält: Salisbury, Ely, Lincoln, Exeter, um nur einige zu nennen.
Doch am nächsten Morgen, so vom Gartenstuhl aus, da ist sie wieder die Schönste von allen. 
Schlußendlich hat es mich natürlich noch in viele Orte der Umgebung gezogen, doch davon möchte ich in einem separaten Bericht erzählen.

Was kann man von hieraus unternehmen? 

Die Isle of Portland, Lyme Regis an der Fossilienküste, das royale Bath, das Schwanensanktuarium von Abbotsbury oder schnödes Shopping im Outletcenter von Street. Und wer ein paar Kilometer mehr nicht scheut, der besucht Highclere Castle, den Schauplatz der Serie Downton Abbey. Also, auf nach Wells. Meine Empfehlung für einen abwechslungsreichen Urlaub mitten in der Stadt.

Und da mich viele fragten, ob es denn in Wales schön gewesen ist.... Bitte nicht verwechseln. Wells ist eine Stadt in Südengland - Wales ist ein Landesteil im mittleren Westen. 




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