Staudrama, Streik und Flüchtlinge in Calais - und wir mittendrin
Drei Tage London (jaaaaa, sorry, ist wieder mal London, aber man kann nichts tun gegen seine Sucht) sind wahrlich kurz genug. Daher entscheiden wir uns, durch den Tunnel zu fahren, um mit dem Auto haarscharf an allen Blitzern auf der Autobahn soeben noch ausweichend in einem Affenzahn nach Calais zu kommen und schnell London zu erreichen.
4 Stunden bis zur Ausfahrt Dünkirchen, das ist ganz beachtlich zügig, aber dann, ein Stau!
Na ja, werdet ihr sagen, so selten ist das nun nicht, aber ihr wisst ja noch nicht, was kommt. Das wussten wir zu dem Zeitpunkt auch noch nicht.
Die Ausfahrt zum Hafen von Calais war gesperrt, eine plausible Erklärung also. In der Ausfahrt rauchte es jedoch bedenklich und irgendwas Abgefackeltes lag noch auf der Straße.
Ein LKW-Unfall?
Aber der Stau löst sich einfach nicht auf, und wir sehen unseren 11:20h-Shuttle schon davon fahren.
Auffällig viele dunkelhäutige Menschen in Kapuzenpullis und teilweise vermummt stehen an der Autobahn.
Wir kennen das schon. Es sind Flüchtlinge, die sich illegal hier aufhalten und im sogenannten Jungle-Camp von Sangatte in den Dünen von Calais "wohnen".
Sie versuchen immer wieder, von einem Fahrzeug mit nach Großbritannien genommen zu werden und scheuen auch nicht davor zurück, sich unter irgend einen LKW zu heften, um auf die Insel zu gelangen.
Heute sind es extrem viele, und immer noch ahnen wir nicht, was da genau vor sich geht.
Wir erreichen unseren Zug soeben und zischen ab nach drüben.
Unseren Plan haben wir wieder eingeholt, aber diskutieren die ganze Zeit, weil es eindeutig ist, daß da mehr als nur ein vermeintlich abgenranntes Auto hinter steckt.
Drüben in England ist dann die entgegengesetzte Fahrtrichtung nach Dover total verstopft. Stillstand und eine Massenansammlung von LKWs.
Abends in den Nachrichten und am Morgen in der Zeitung, die in unserem Hotel ausliegt, dann die
erschreckende Erklärung:
Hafen-Mitarbeiter fürchten ihre Entlassung und demonstrieren, weil zwei der drei Schiffe von MyFerrylink verkauft werden sollen. Muttergesellschaft und damit Entscheidungsträger ist Eurotunnel.
Demonstranten brennen Autoreifen und Strohballen in der Ausfahrt zum Hafen von Calais ab und verbarrikadieren somit die Hafenzufahrt. Die Fährverbindungen werden bis auf weiteres eingestellt.
Im Kanaltunnel belagern sie die Gleise, und der Zugverkehr stoppt. In der Zeitung "The Independent" steht sogar, daß Demonstranten den Vorstand oder Direktor von Eurotunnel kidnappen wollten.
Angestellte wurden aus Sicherheitsgründen nach Hause geschickt.
Es gibt für eine gewisse Zeit keine Bewegung mehr auf oder unter dem Ärmelkanal.
Und genau jetzt kommen die Flüchtlinge ins Spiel. Die zitierte Zeitung schreibt von ca. 3000, die schwarmartig auf die Hafenzufahrt zuströmen, LKWs aufbrechen, hineinklettern, Fahrer bedrohen und sich überall anheften, um eine Chance zu haben, nach drübem zu kommen. Einige sind bewaffnet.
Die Wagen können ja nicht ausweichen, und so geschieht förmlich eine Eroberung.
Man wird angewiesen, die Türen zu verriegeln.
In der britischen Presse wird davon geschrieben, daß Frankreich das Problem gern los würde und so argumentiert, daß das Ziel der Flüchtlinge schließlich Großbritannien sei und somit auch die Zollkontrolle bitte schön in Dover stattfinden sollte und nicht in Calais.
Solange ich denken kann, sitzt der britische Zoll im Hafen von Calais.
Auch auf dem Rückweg gibt es in Calais immer noch Stau mit LKWs. Die werden wahrscheinlich regelrecht durchwühlt, inklusive sämtlicher Warenkisten an Bord, damit auch jeder mögliche Versteckte noch gefunden wird.
Ich bin gespannt, wie hier in Zukunft gehandelt wird.
Zwei Dinge haben mich sehr überrascht.
1. Es war kaum Polizei präsent, zumindest nicht als wir dort ankamen
2. In der Presse in Deutschland war davon nichts zu lesen, berichten mir zumindest die Daheimgebliebenen.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen