Egal wohin - Von Fernweh und Reise-Entzugserscheinungen

Dies ist die Geschichte einer Urlaubsplanung in Pandemiezeiten. Die Geschichte zweier Reiseprofis, die #losreisen wollen, weil sie zum einen urlaubsreif sind und zum anderen zeigen möchten, dass Reisen in Corona-Zeiten möglich ist und auch sicher sein kann.

Nach einer Botschafterwoche an der Algarve mit 6 Kollegen war es vollkommen klar: Wenn man Hygiene- und Abstandsregeln einhält und sich viel draußen aufhält an der frischen Luft, dann geht Urlaub ganz wunderbar, auch wenn man einige Einschränkungen hinnehmen muss.
Wieder einmal Freiheit zu genießen wiegt das alles auf.

Diese Botschafterreise war eine anstrengende Woche und eben kein Urlaub.
Genau deshalb dachten wir, relativ nahtlos daran anschließend, selbst richtig Urlaub zu machen, und zwar in Italien. Meine liebe Signora in Cannero am Lago Maggiore schrieb erleichtert, dass in Italien sehr wahrscheinich am 30.4.21 die Hotels öffnen dürfen.
Na wunderbar, dachte ich, die bekommen eine Perspektive. Und wir in Deutschland? 
"Nüschte" - ich glaube, so sagt man in Berlin. Hochdeutsch: Nichts. Slopp: Nix - nada - niente.

Gesagt, getan, gebucht. Und wie es seit vielen Monaten Usus ist, wollten wir natürlich sicher gehen, dass wir nur anreisen werden, wenn wir nicht in Quarantäne müssen.
Das ist auch einer der Hauptgründe, warum viele Urlaubshungrige nicht zu buchen wagen. Schade eigentlich, denn man kann tatsächlich planen und einen schönen Urlaub erleben, auch wenn man am Ende ganz woanders landet.
Ob das nun jeder Reisegast so machen möchte wie wir, sei einmal dahin gestellt, aber wenn man Fernweh hat, wenn man so richtig urlaubsreif und ausgelaugt ist, sich zu vieler Freiheiten beraubt fühlt und auf seinem täglichen Spaziergang schon jedem Grashalm einen Namen gibt, dann ist es einfach völlig egal, wohin man fährt.

ICH WILL WEG. Ich will #losreisen.
Und wenn ich nun sage, macht es doch einmal genauso wie wir, dann muss ich schon sagen, ich möchte mich selbst, wie bei dieser Planung, nicht als Kunden haben, denn ich wäre der Alptraum für jeden Reiseberater gewesen.

Was ist also passiert?

Den 30.4. wollten wir auf jeden Fall abwarten, um sicher zu gehen, dass die Italiener ihre Hotels wirklich öffnen Daher warf ich ein Blick in die Seiten des Auswärtigen Amtes. Die kennt mein PC auch schon längst auswendig, so dass, wenn ich nur „A“ schreibe, er sich denkt: "Komm, Mädel, ich weiß, was du suchst".
Und prompt lese ich, dass Italien immer noch 5 Tage Quarantäne vorschreibt. Ein echter Hinderungsgrund! Aber da ist auch die Reiselust, der Wunsch nach freier Fortbewegung in ein anderes Land "Wir machen das mit der Quarantäne", sagt mein Mann, denn er weiß, es gibt dort im Hotel so unglaublich gutes Essen, dann werden wir halt die ganze Zeit essen.

"5 Tage nur im Hotel?" war meine zweifelnde Frage. "Kommt nicht in Frage", aber gegrübelt habe ich schon.
Wir reisen geschäftlich, darauf wies mich auch meine Signora hin. Immerhin arbeiten wir mit Hotels am Lago Maggiore seit vielen Jahren zusammen. Die müssen einfach mal wieder inspiziert werden. Das hieße aber, nach 5 Tagen müssten wir auch wieder abreisen. Passt nicht, dafür ist der Weg zu lang. Und außerdem ist es einfach nicht richtig. Jedoch sieht man, was das Gehirn alles hervor kramt, wenn man einfach seine eigenen vier Wände nicht mehr sehen kann.

Meine Mitarbeiterin schlägt vor, dann 5 Tage am Lago Maggiore zu sein und den Rest in der Schweiz. Ich war allerdings nicht bereit, auch nur einen Blick in das Auswärtige Amt zum Thema Schweiz zu werfen. Wer weiß, was uns da wieder blüht.
Ich hätte meinen Computer mit der Suche nach "Schweiz" auch völlig übefordert, denn der kennt eigentlich nur "England, Schottland, Irland und Island" und hatte sich eigentlich schon über "Italien" als Eingabe gewundert.

Der Lago Maggiore wurde also gestrichen, mit dem festen Versprechen an unserer Hoteliersfamilie, dass wir kommen, sobald wir dort frei rumlaufen dürfen. Essen allein ist schön, aber in Anbetracht der ganze Corona-Pfunde, die wir sowieso in eineinhalb Jahren angehäuft haben, wäre das auch fatal.

Es ist wiederum meine Mitarbeiterin, die daran erinnert, dass wir immer noch nicht mit TUIcruises unterwegs waren. Die Panoramafahrt rund um die Kanarischen Inseln wäre eine Idee.
Das allergrößte Problem hat sie dabei allerdings übersehen. Mein Mann fliegt partout nicht, oder nicht mehr. Nachdem er bereits ca. 10 Flüge mit mir absolviert hat, weiß ich auch nicht, warum ihm das auf einmal nicht mehr in den Kram passt, aber man respektiert es eben.

Es gibt aber auch Kreuzfahrten ab Italien. Ach, Italien, da war doch das mit der Quarantäne. Allerdings gehen wir in Genua ja direkt an Bord Es wäre also zu klären, ob das möglich ist.
Wir übernachten dann einfach unterwegs. Aber halt! Wo sollen wir übernachten? In Bayern? Nun ja, das könnten wir in der Tat noch geschäftlich vertreten.
So richtig schmeckt uns diese Notlösung aber auch nicht, also sollten wir besser nonstop durchfahren. Leider geht auch das nicht, denn wir haben in Dortmund die Notbremse aktiv und damit erst eine Ausgangsgenehmigung ab 5.00 Uhr. Das ist, um gegen 16 Uhr einzuchecken, dann doch ein wenig heikel. Es darf dann unterwegs aber auch gar nichts passieren.
Kreuzfahrt ab Italien ist demnach gestrichen. Wir haben auch gar nicht erst irgend einen Gedanken daran verschwendet, ob wir überhaupt an Land gehen dürfen. Das war uns mittlerweile schon vollkommen egal. Hauptsache, woanders sein.

Ich habe dann Portugal ins Spiel gebracht. Für die drei anderen Teilnehmer wäre es ein neues Ziel und ich könnte noch einmal in Ruhe all das bestaunen, wofür wir bei der Botschafterreise nicht viel Zeit hatten.
Das Problem "flugunwilliger Ehemann" war mittlerweile gelöst. Ihm war schon alles egal. Hauptsache, er kommt mal raus.

Ich muss zugeben, hier waren wir unheimlich schnell in der Entscheidung. Ich hatte das Salema Beach Village vorgeschlagen, das ich von der vorigen Reise kannte. Eine wunderschöne Anlage in  traumhafter Lage. Riesige Apartments, viel Platz, Meerblick, Ruhe, Sonne, Wind, Weite. Das würde perfekt werden, da waren wir uns sicher.
Gesagt, gebucht. Wir waren glücklich. Portugal, wir kommen! Hier sind die Inzidenzen niedrig und mit dem negativen PCR-Test machen wir auch die Portugiesen nicht unglücklich.
Dass sie glücklich über Touristen sind, haben sie bei der Botschafterreise schon bewiesen. Und achtsam sind wir ja sowieso.

Eine Nacht, genau eine Nacht, hatten wir diese positiven Urlaubsgedanken im Kopf und in unseren Träumen. Dann wurden wir durch eine Email des Reiseveranstalters auf den Boden der Tatsachen katapultiert. Portugal verbietet die Einreise aus Ländern mit einer Inzidenz über 150.
Der Reiseveranstalter hat uns die Reise abgesagt. Im Gegensatz zur landläufigen Panik, dass jetzt unser Geld verloren ist, haben wir volles Vertrauen in den Veranstalter, der uns unser Geld schon zurück überweisen wird. Es gibt auch noch Anbieter, die machen das richtig nach Vorschrift.

Erstaunlicherweise war die Enttäuschung gar nicht so extrem, denn sofort arbeiteten unsere Gehirne wieder auf Hochtouren. Wohin könnten wir noch fahren? 
WIR WOLLEN WEG. Dieses Vorhaben galt immer noch.
Nochmal schnell Österreich, Schweiz und Frankreich "durchgegooglet", aber wenn wir ein Hochinzidenzgebiet buchen, kann das Quarantäne nach Rückkehr bedeuten. Was für den Touristiker, der ohnehin nicht arbeiten darf, kein Problem ist, ist aber für einen Berufstätigen in einer anderen Branche, etwas anderes. Er kann sich das nicht erlauben, also fallen wieder einige Ziele durch.

WIR GEBEN NICHT AUF. FERNWEH IST SCHLIMMER ALS HEIMWEH.
Und Freiheit will erkämpft werden.
Nach einem kurzen Exkurs noch einmal Richtung TUI-Cruises-Kreuzfahrt ist zumindest für mich klar, dass ich nicht akzeptieren kann, einen Landgang nur in organisierter Form machen zu dürfen. Mein Mann hingegen will auf keinen Fall eine Woche nur auf dem Schiff bleiben.
Meine Mitarbeiterin sagt schon gar nichts mehr. Ihr Mann sowieso nicht, denn der ist immer noch im Glauben, wir fliegen nach Portugal. Oder vielleicht ist er auch immer noch im Italien-Glauben. Er gehört zur glücklichen Bevölkerung, die noch normale Arbeitszeiten hat und bekommt daher nur rudimentär mit, was wir planen.

Auf einmal kommt mein Mann mit dem Vorschlag "Modellregion Schlei" um die Ecke. Ich werde wahnsinnig! Auf der Stelle. Ist der verrückt geworden? Ich bin zwar ganz sicher dabei, unsere deutschen Hotels zu unterstützen, aber aus Prinzip sehe ich nicht ein, dass ich die schrillen Ideen unserer Regierung, sei es Bund oder Länder, unterstütze und mir jeden zweiten Tag ein Stäbchen durch die Nase rühren lasse, nur um an mir, dem Versuchs-Touristen, festzustellen, dass normale, ruhige Urlaubsreisen keine Pandemietreiber sind. Das hat das RKI schon deutlich geschrieben.
Und ich muss auch nicht das Versuchskaninchen sein, das dann am Ende glücklich herausfindet, wie gut die Hygieneregeln umgesetzt werden. Das weiß ich auch so, denn ich habe Vertrauen in unsere Hoteliers und weiß, all das haben sie letztes Jahr auch schon gemacht. Und dennoch hat man ihnen die Türen verbarrikadiert.

Also sorry, liebe Hoteliers, ich komme gern wieder, aber nicht so.
Am Rande sei erwähnt, dass wir noch nicht einmal ein Ferienhaus bekommen hätten für unseren Wunschtermin. Alles voll. Das sind dann wieder gute Aussichten für den Sommer, wenn sich alle wieder an Nord- und Ostsee stapeln.

WIR GEBEN NICHT AUF. DIE KOFFER SIND SO GUT WIE GEPACKT.
Und ich packe nichts wieder aus, soviel ist klar.
Ganz vorsichtig meldet sich meine Mitarbeiterin mit Mallorca zu Wort. Ja klar. Malle, tausendmal gewesen. Ich bin kurz davor, aufzugeben. Ich will es nicht übers Knie brechen. 

DOCH, ICH WILL ES ÜBERS KNIE BRECHEN.
Mein Knie ist immer noch mein Original-Knie, und so kann eine Menge darüber gebrochen werden. Daher wird weiter gesucht. Ein Ferienhaus soll es sein, und schon nach drei Vorschlägen haben wir uns festgelegt. Da ist ein tolles Landhaus mit Pool und ganz viel Platz irgendwo im Insel-Inneren.
Gebucht. Fertig.
Condor-Flüge dazu, die Hinflugzeit ist doof, aber wir dürfen ja sowieso nicht mehr so früh aus dem Haus, also ist alles gut.
Ein Mietwagen muss her. Wir sind vier Personen, und eine davon hat immer viel zu viel Gepäck. Ich sage jetzt nicht, wer es ist. Ich bin es jedenfalls nicht, und die Männer nehmen traditionell nur Zahnbürste und Badehose mit.
Vans und größere Modelle sind nicht sofort buchbar und müssen angefragt werden. Wir erhalten zweimal eine Absage. Aber das wirft uns doch nicht aus der Bahn! Zur Not laufen wir die 50 km zum Haus. So weit sind wir schon. Unsere Koffer haben schließlich Rollen und wohl dem, der einen kleinen Koffer hat....
Am Ende ist alles gut. Wir sind mobil, haben Flüge und eine Unterkunft. Wo genau die sich befindet, das haben wir immer noch nicht genau angeschaut. Ist aber auch völlig egal. Wir sehen uns das im Flieger an. Das reicht.
So schlimm kann Fernweh sein, dass einem das alles egal ist.
An dieser Stelle möchte ich kurz die Geschichte einfügen, die mir eine Freundin erzählt hat. Sie hat für 2 Mütter mit ihren Söhnen ein Hotel für nur eine einzige Nacht in Amsterdam gebucht. Auch die wollten einfach nur raus.
Die Niederlande werden als Hochinzidenzgebiet geführt, aber den Familien war das egal, denn sie kennen die Regeln und halten sich daran. Die Mütter wollten damit aber vor allem ihren Kindern ein Stück Freiheit bieten, die seit einem Jahr schon nicht mehr ein und aus wissen und psychisch verkümmern.
Dann war am Ende nach der Buchung die Freude so groß, man hätte heulen können. Die Kinder haben sich schon ausgemalt, wie toll essein wird, wenn sie an einer Rastsätte Pause machen und dort mal wieder ein Sandwich kaufen können. Oder einen fettigen Burger, einfach so, ganz woanders 
Es ist sehr traurig, was auch, oder ganz besonders den Kindern angetan wurde in den vielen Monaten.
Hat sich von euch schon einmal jemand so gefreut, für eine einzige Nacht wegzufahren und von Raststätten mit Menschen und ein wenig Leben zu träumen?

Doch zurück nach Mallorca.
Noch sind wir ja nicht da, aber wenn ihr diesen Bericht lest, hoffentlich schon.
Wir mussten gestern noch zum PCR-Test, der natürlich wie erwartet negativ ausgefallen ist. Nun ja, wir halten uns eben an die AHA-Regeln und in puncto Kontakte kommen wir uns nicht zu nah. Außerdem, so ganz nah lassen wir doch auch nur unserer Ehepartner heran.
Manchmal frage ich mich, was unserer Regierung von uns denkt, wenn sie uns über Hygiene aufklärt und daran erinnert, uns regelmässig die Hände zu waschen. Ist das nicht eigentlich etwas anmaßend?

Während wir also noch darauf warten, dass es Samstag wird und wir starten können, sinniert meine Mitarbeiterin darüber, was wir jetzt eigentlich gebucht haben. Ich weiß es auch nicht so genau, und sie wiederum sagt, es wäre doch auch egal. Was sollte jetzt noch dazwischen kommen?

Nun ja, da wären neben einem Fluglotsenstreik noch eine mögliche Bombenentschärfung auf der A52, eine spontane Reisewarnung durch das Auswärtige Amt, dass am Ende Mallorca mit z.B 51 die Schwelle zum Risikogebiet überschreitet (was unwahrscheinlich ist), wir verschlafen und verpassen den Flug, unser Auto streikt auf dem Weg zum Flughafen, und und und.
Jetzt malen wir aber nicht den Teufel an die Wand. Diese Widrigkeiten haben wir uns per WhatsApp mit vielen Zwinker-Smileys hin- und hergeschickt.

Der Online-Check-in bei der Condor funktioniert aktuell nicht. Was soll´s. Dann besuchen wir halt wieder einmal das nette Schalterpersonal. Ich hoffe, die freuen sich, dass wir ihnen mit unserer Reiseabfertigung Arbeit bescheren. Beim letzten Flug nach Portugal war das die einzige trübe Erfahrung, denn der Mitarbeiter am Schalter war nicht sehr begeistert von seinem Job.
Aber ganz ehrlich, wenn die Reise-Entzugserscheinungen derart groß sind, was interessiert mich schon die Laune am Schalter? Von mir aus kann der oder die sich am Schalter auf den Kopf stellen und mit den Beinen Hurrah schreien. Mich stört nichts mehr nach dieser Odyssee.
Dann kommt wenigstens noch etwas Schwung in die Sache.

Morgen also navigiere ich meinen Mann ins Nirgendwo. Ich schicke ihn irgendwo in die Insel-Mitte, und am Abend sitzen wir auf unserer Terrasse beim Wein.

Ob es dann regnet, stürmt oder schneit, WIR GENIEßEN JEDEN AUGENBLICK.

Und wenn der Antigen-Schnelltest 48 Stunden vor dem Rückflug dann positiv sein sollte, dann bleiben wir halt noch ein Weilchen. Natürlich kann das auch nicht jeder machen, und auch wir mögen keine Quarantäne, aber egal, wenn man Urlaub braucht, dann kriegt man ihn. Flexibilität ist alles, Ausreden gelten nicht. Schon gar nicht jetzt, wo man doch ein kleines Lichtlein am Ende des Tunnels erkennen kann.
Die Zeit ist reif für #losreisen.



 







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